Mangel allüberall blockiert Bauhandwerk

Veröffentlicht am 21. Juni 2021
Mangel allüberall blockiert Bauhandwerk

Leiter zusammenklappen und erst einmal in die Pause gehen – weil wieder Baumaterial fehlt. Das ist keine Bangemacherei, sondern (bald) schon Realität auf deutschen Baustellen. Foto: Pixabay ©NeiFo

Auf deutschen Baustellen geht es teils nur noch schleppend voran. Holz, Stahl und Dämmstoff sind knapp. Sogar Schrauben stehen aktuell auf dem „Rar“-Index. Tages- und Fachmedien titeln nahezu unisono, was sich schon seit Wochen angekündigt hat: Die Engpässe werden zum Problem. Zu wenig gibt es aber auch an Fördermitteln, Wasser und Sand. Mangel allüberall – eine Presseschau.

Wie aus einer Mai-Umfrage des ifo-Instituts hervorgeht, problematisierten im Hochbau 43,9 % der Firmen den Baustoffmangel. Das waren doppelt so viele wie im April, als nur 23,9 % der Unternehmen über derartige Erschwernisse klagten. Den Tiefbau traf es im Mai mit 33,5 % zwar etwas schwächer. Allerdings berichteten dort im April nur 11,5 % der Betriebe von Engpässen. „Noch ist die Kapazitätsauslastung der Branche hoch“, zitierte unlängst die Tagesschau Felix Leiss. Aber die Lieferengpässe, so der ifo-Experte, bereiteten immer mehr Unternehmen Sorgen. Hinzu kämen rasant steigende Rohstoffpreise. Wie er weiter ausführte, seien die Preise für Schnittholz in den letzten Monaten nahezu explodiert, die Sägewerke könnten kaum Schritt halten. Darüber hinaus habe sich Stahl erheblich verteuert. Zudem seien Dämm-Materialien und verschiedene Kunststoffe knapp.

Mangel allüberall blockiert Bauhandwerk
Neben Holz, Stahl und Schrauben stehen auch Dämmstoffe auf dem „Rar“-Index. Bleibt die Lage so, dann befürchten die Unternehmen im deutschen Baugewerbe Kurzarbeit größeren Ausmaßes. Foto: Pixabay ©MonikaP

Auch die Schraubenproduzenten kämpfen mit Rohstoffengpässen. Das, die hohe Kapazitätsauslastung sowie Logistikprobleme haben laut Volker Lederer, Vorsitzender des Fachverbands des Schrauben-Großhandels (FDS), die internationalen Lieferketten bereits in ein „beispielloses Chaos gestürzt“. Wie er gegenüber dem Handelsblatt warnte, würden zusätzliche EU-Zölle auf den Import von Verbindungselementen aus Eisen und Stahl aus China „den perfekten Sturm heraufbeschwören“. Um Ausfälle von Produktionslinien in Europa zu vermeiden, brauche die heimische Wirtschaft die Kapazitäten des gesamten asiatischen Beschaffungsmarktes einschließlich Chinas.

Mangel allüberall blockiert Bauhandwerk:
„Dann macht sich das negativ bemerkbar“

Die Entwicklung wird von der Baubranche insgesamt kritisch verfolgt. „Wir haben eine stabile Auftragslage“, sagte Stephan Rabe vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) der Nachrichtenagentur Reuters. Im März hätten die Unternehmen einen Rekordauftragsbestand von 62 Mrd. Euro gemeldet. Die Pipeline sei voll, die Auslastung sehr gut. Bislang rechnete der Verband mit stagnierenden Umsätzen in diesem Jahr. „Wenn die Beeinträchtigungen über die Jahresmitte hinaus anhalten, die Materialknappheit zunimmt, ganze Baustellen geschlossen werden müssen und die aufgerufenen Preise weiter steigen, dann macht sich das negativ bemerkbar“, so Rabe. Und dann lasse sich die Umsatzprognose nicht halten.

Ins gleiche Horn stieß Felix Pakleppa. „Die Engpässe haben das Potenzial, die Baustellen im Sommer zum Erliegen zu bringen“, wurde der Hauptgeschäftsführer vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) u. a. in einem Artikel der FAZ zitiert. „Unsere Unternehmen befürchten Baustellenstopps und Kurzarbeit.“ Bei Kunststoffen und Holz etwa blieben vielfach Lieferungen aus, bei Stahl und Metallen gebe es zudem deutliche Preiserhöhungen. Und Holz verteuerte sich zum Vorjahr um fast 36 % und zum Dezember 2020 um gut 27 %.

„Bei den Aufträgen gibt es Licht und Schatten“

Im ersten Quartal bremsten der Wintereinbruch und die planmäßige Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes die Baukonjunktur merklich. So lagen die Umsätze der Betriebe mit mindestens 20 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe laut ZDB bei 16,4 Mrd. Euro und damit um rund 9,4 % unter Vorjahresniveau. Licht und Schatten gebe es bei den Aufträgen: Während die Nachfrage im Wohnungsbau hoch bleibe, sei sie bei der Wirtschaft weiter schwankend.

Die gesamten Bauinvestitionen stiegen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von Januar bis März um 1,1 % zum Vorquartal, sanken aber binnen Jahresfrist um 1,6 %. Im Mai hellte sich das Geschäftsklima am Bau auf, wie das Münchner ifo-Institut zu seiner monatlichen Umfrage mitteilte. Die Betriebe beurteilten zwar ihre aktuelle Lage besser, und auch ihre Erwartungen fielen weniger pessimistisch aus als zuletzt. „Das Problem der Materialknappheit hat sich jedoch nochmals verschärft“, betonte ifo-Präsident Clemens Fuest.

„Verfeuern von Holz überholt“

„Die Not am Bau lässt sich rasch kaum lindern, aber lehrreich ist sie,“ kommentierte Wirtschaftsredakteur Jan Hauser das Geschehen Anfang Juni auf faz.net. Für den Holzbedarf sollten sich Politiker seiner Ansicht nach überlegen, ob das Verfeuern von Holz nicht nur aus umweltpolitischen Gründen überholt sei. Holzöfen, besonders jene, die nicht zum Heizen nötig sind, verringerten kaum den beklagten Holzmangel.

Jeder sehe jetzt, wie Deutschlands Baustellen von internationalen Warenströmen abhingen und wie fragil Lieferketten sein könnten. Daher sollten Bundesregierung und Bundestag einmal nachdenken, wie sehr das (Anmerkung der Redaktion: mittlerweile beschlossene) Lieferkettengesetz mit neuen Bedingungen für die Zulieferer auch den Bau einschränke und Materialnot erzeuge. Hauser: „Mancher wird sich noch die Mangelwirtschaft zu Beginn der Pandemie zurückwünschen, als bloß Toilettenpapier im Supermarktregal fehlte.“

Kalkulationen und verbindliche Angebote sind angesichts der Engpässe bei Rohstoffen und den damit verbundenen Preissteigerungen kein leichtes Unterfangen. Vor allem aber bereits abgeschlossene Verträge bereiten den Unternehmen Sorgen. Der ZVSHK zum Beispiel hat deshalb ein Merkblatt mit Hinweisen und Tipps herausgegeben. Foto: Pixabay ©Shutterbug75

Preissteigerungen bei Baumaterialien: „Es reicht!“

Indes konfrontierte Michael Hilpert Industrie und Großhandel mit dem Vorwurf fehlender Hilfestellung. Mit den recht markigen Worten „Es reicht!“ wandte sich der Präsident des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) vor einigen Wochen an die Adresse der Marktpartner. Anders als diese könnte das SHK-Handwerk das Problem der aktuellen exorbitanten Preissteigerungen bei Baumaterialien eben nicht so einfach bei den Kunden abladen. Zwei bis drei Preissteigerungen für ein und dasselbe Produkt in immer kürzeren Abständen seien keine Seltenheit. So kosteten derzeit Dämmstoffe und verzinkte Stahlbleche bis zu 60 % mehr als im ersten Quartal 2020, Rohre bis zu 50 %. Für Fußbodenheizungen mit Wärmeleitlamellen müsse man bis zu 27 % mehr zahlen, für Heizkörper und Spülkästen bis zu 14 %. Das teilte der Verband auf Nachfrage des Deutschen Handwerksblatts mit.

„Uns, als letzte Stufe im Vertriebsweg, stellt das vor massive Probleme“, erklärte Hilpert ebenfalls als betroffener SHK-Unternehmer. Preiserhöhungen seien zwar generell nachvollziehbar. Kein Unternehmen könne schließlich erfolgreich arbeiten, wenn die Preise nicht auskömmlich seien. Das hieße aber auch, man müsse erforderliche Preissteigerungen an den Kunden weiterreichen können. Und dabei fühle man sich mit Blick auf die Kalkulation und vor allem bei bereits abgeschlossenen Verträgen angesichts nachträglicher Kostensteigerungen gerade allein gelassen. Seinen Kolleginnen und Kollegen rät er, Angebote zu befristen. Oder sie zumindest mit einem Preissteigerungsvorbehalt zu versehen. Als weitere Option, kurzfristigen Preissteigerungen nicht tatenlos zusehen zu müssen, empfahl er, sich angebotsbezogen angefragte Einkaufspreise bis Projektabschluss zusichern zu lassen. Für ZVSHK-Mitgliedsbetriebe: Hinweise und Tipps gibt ein kostenloses Merkblatt. Muster-Formulierungen, mit denen sich Kosten an die Kunden weitergeben lassen, gibt es außerdem auf www.handwerk.com.

„Keine Zuschüsse mehr bei ‚Altersgerecht Umbauen‘“

Neben den gestiegenen Preisen und der Ungewissheit über Materiallieferungen erschwert ein weiterer Mangel den SHK-Handwerkern, ihr Geschäft zu machen. Wie die Aktion Barrierefreies Bad (ABB), eine gemeinsame Initiative von Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft (VDS) und ZVSHK, meldete, gibt es in diesem Jahr von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) keine Zuschüsse mehr im Programm „Altersgerecht Umbauen“. Die finanziellen Mittel für barrierereduzierende Maßnahmen seien komplett ausgeschöpft. Somit könnten keine Anträge mehr gestellt werden. Bereits zugesagte Mittel blieben vom Stopp jedoch unberührt. Ob, wann und wie viel Fördermittel im nächsten Jahr zur Verfügung stünden, sei ungewiss.

Wie auf der ABB-Homepage weiter zu lesen ist, ging der KfW im Programm 455-B „Altersgerecht Umbauen“ noch nie das Geld so früh aus. Das sei doppelt überraschend, weil dieser Mitteltopf in 2021 von 75 auf 130 Mio. Euro aufgestockt worden sei. Doch schon die Zahlen des ersten Quartals 2021 hätten aufhorchen lassen: Im Programm „Altersgerecht Umbauen – Zuschuss Barrierereduzierung“ wurden laut KfW Zusagen für 31.221 Wohneinheiten mit einem Fördervolumen von 63 Mio. Euro erteilt. Im gleichen Vorjahreszeitraum seien es gerade einmal 25.335 Zusagen und 51 Mio. Euro gewesen. Erklären lasse sich der Run auf die Fördermittel großenteils durch die Corona-Pandemie. (Lesen Sie den Bericht weiter unter https://www.aktion-barrierefreies-bad.de/stopp-fuer-altersgerecht-umbauen/.)

„Beim Wasser gibt es ein Verteilungsproblem“

Apropos: Ausnahmsweise nichts mit Covid-19 hat die Wasserknappheit in Deutschland zu tun, vor der Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) dieser Tage warnte. „Für die Zukunft ist es nicht selbstverständlich, dass es überall Wasser im Überfluss gibt“, sagte Schulze der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Nötig sei ein stärkerer Ausgleich zwischen wasserarmen und wasserreichen Regionen. „Beim Wasser gibt es kein Mengen-, sondern ein Verteilungsproblem“, so die Ministerin. Bei Knappheit könne es daher zukünftig Priorisierungen beim Wasserzugang geben: „Für diese Notfälle wird man über Nutzungshierarchien und einen Ausgleich der Interessen reden müssen.“ Der persönliche Trinkwasserbedarf genieße dabei Priorität. „Auch ein Vorrang für wesentliche wirtschaftliche und landwirtschaftliche Nutzungen und ökologische Bedarfe ist denkbar“, fügte die Ministerin hinzu.

Schulze will Anreize schaffen, damit die Nutzung großer Wassermengen außerhalb von Verbrauchsspitzen stattfindet. „Pools sollten am besten in den Nachtstunden befüllt werden, nicht tagsüber“, sagte sie. „Smarte Wassertarife“ könnten eine Lösung sein, um flexibler auf die jeweilige Nachfrage zu reagieren. In der „Nationalen Wasserstrategie“ ihres Ministeriums plädiert Schulze für einen massiven Ausbau der Wasserinfrastruktur. Kommunen und Wasserversorger sollen dem Plan zufolge stärker überregional kooperieren und sich in Regionalverbänden zusammenschließen.

Sand ist der meistgehandelte Rohstoff der Welt, denn Sand und Kies sind die Grundlage für Beton. Weltweit fließen Berechnungen zufolge Jahr für Jahr rund dreißig Mrd. Tonnen Sand durch die Betonmischer. Sand aus Flüssen und Meeren, denn nur er eignet sich für die Herstellung. Von Engpässen ist schon seit Längerem die Rede. Und von den damit verbundenen Gefahren für die Umwelt weltweit. Foto: Pixabay ©analogicus

Mangel allüberall: „Der Erde geht der Sand aus“

Nach Wasser ist übrigens Sand der wichtigste Rohstoff, speziell für die Bauindustrie. Die aber nimmt nicht jeden Sand, was zufolge hat, dass der Erde der Sand ausgeht. Es gibt ihn eben nicht wie Sand am Meer. Sand, so heißt es in einem spannenden, hochinformativen Beitrag des Bayrischen Rundfunks, steckt in vielen Produkten, von denen man es nicht vermuten würde: in Seife, in Reinigungsmitteln, in jedem Computer. Glas wird aus Sand hergestellt – und Stahlbeton. Wie der BR schreibt, sind Städte buchstäblich auf Sand gebaut, denn Beton besteht zu zwei Dritteln aus Sand. Und für jede Tonne Beton würden mehrere Tonnen Sand benötigt. Kaum vorstellbare geschätzte 30 Mrd. Tonnen Sand flössen jährlich weltweit durch die Betonmischer. Dazu kämen noch einmal etwa zehn Mrd. Tonnen Sand jährlich für Straßenbau und Industrie – konservativ geschätzt.

Jährlich rund 70 Mrd. Dollar setze die Wirtschaft mit Sand um. Auf jedem Kontinent wird er abgegraben, heißt es weiter. Auf Kosten der Umwelt. Besonders in Drittweltstaaten gebe es immer mehr Fälle von illegalem Sand-Abbau. Sogar die Länder der arabischen Halbinsel importierten Sand in großen Mengen. Denn Wüstensand eigne sich nicht für die Betonherstellung. Er sei zu feinkörnig, zu rund und ohne Ecken und Kanten. Genau die aber erfordere es im Bau, weil sie für die nötige Reibung sorgten. Ecken und Kanten habe jedoch nur der Sand aus Flüssen und Meeren – mit Konsequenzen für die Strände weltweit. Ihr Schwinden sei bereits im Gange. Welche großen Gefahren damit verbunden sind, hat die BR-Redaktion im Bereich Wissen zusammengestellt.

Recycling beim Bauen – gar nicht so leicht

Der Beitrag hat auch Sie nachdenklich gestimmt, und Sie haben automatisch an Recycling beim Bauen gedacht? Letzteres ist ganz und gar nicht so leicht, wie der folgende Artikel zeigt:
https://www.t-online.de/heim-garten/bauen/id_88869828/aus-alt-mach-neu-wenn-architekten-und-baufirmen-baustoffe-ernten.html

Wie es um Recycling und Nachhaltigkeit beim (Bad-)Bau steht, dem widmet sich die nächste „Presseschau“. Klicken Sie also gerne wieder vorbei.
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