Pflegegerechte Bäder

Veröffentlicht am 3. November 2020
Pflegegerechte Bäder

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Die Zahl derjenigen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten, steigt von Jahr zu Jahr: Im Dezember 2017 waren in Deutschland 3,41 Mio. Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Zwei Jahre zuvor lag ihre Zahl bei 2,86 Mio. Die starke Zunahme um 19 % in dem kurzen Zeitraum führt das Statistische Bundesamt allerdings zum großen Teil auf die Einführung des neuen, weiter gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriffs durch die fünf Pflegegrade ab dem 01.01.2017 zurück. Dennoch gewinnen pflegegerechte Bäder zunehmend an Bedeutung.

Während 2,59 Mio. bzw. 76 % aller Pflegebedürftigen zu Hause versorgt wurden, davon 1,76 Mio. in der Regel allein durch Angehörige, lebten 0,83 Mio. Menschen in Pflegeheimen. Generell möchten die Deutschen in großer Mehrheit aber möglichst ein Leben lang in den eigenen vier Wänden bleiben und dort alt und wenn notwendig auch gepflegt werden. Das Bad ist der Schlüssel dazu. Oder anders ausgedrückt: Die ambulante Versorgung zu Hause steht und fällt mit einem für die häusliche Pflege angepassten Badezimmer. AAL-Systeme können dabei helfen.

Auch oder gerade mit einem barrierefreien bzw. -reduzierten Bad lässt sich die um rund 8.500 Euro deutlich teurere und oft nicht gewollte Pflege im Heim häufig vermeiden. Langfristig können durch generationengerechten Bau und seine Förderung Kosten im Gesundheitswesen gespart werden – nicht zuletzt mit Blick darauf, dass immer mehr geburtenstarke Jahrgänge das Pflegealter erreichen. So wird in allen neun Hauptvarianten der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes der Anteil der Menschen im Erwerbsalter (20 bis 66 Jahre) in den nächsten zwei Jahrzehnten deutlich sinken und im Jahr 2037 zwischen 55 und 56 % liegen. Der Anteil der 67-Jährigen und Älteren klettert dagegen in allen Hauptvarianten. Ein besonders steiler Anstieg ist bis 2040 zu erwarten.

Bis 2030 4,1 Mio. Menschen pflegebedürftig

Zu den dauerhaft auf Pflege angewiesenen Menschen kommt eine geschätzt dreimal so hohe Anzahl von Personen, die keine Pflegestufe besitzen oder nach einem akuten Ereignis wie Unfall oder Erkrankung temporär auf Unterstützung angewiesen sind. Die Zahl der Pflegebedürftigen könnte auf ca. 4,1 Mio. Menschen bis 2030 ansteigen. Jüngste Schätzungen gehen sogar von 4,5 bis 5 Mio. aus, die in knapp 10 Jahren zu Hause betreut werden müssen. Damit wird die Anzahl von Familienmitgliedern und ambulanten Pflegekräften, die im Bad unterstützen, von heute ca. 330.000 ebenfalls weiter ansteigen müssen. Bei dem gegenwärtig diagnostizierten Mangel an ambulanten Pflegekräften dürfte ein ergonomischer Arbeitsplatz in den privaten Badezimmern der ausschlaggebende Punkt sein, häusliche Pflege überhaupt zu erbringen. Oder anders ausgedrückt: Die ambulante Versorgung zu Hause steht und fällt mit einem für die heimische Pflege angepassten Badezimmer.

Nimmt man den Grundsatz des deutschen Gesundheitswesens „ambulant vor stationär“ ernst, muss man schlussfolgern: „Häusliche Pflege nur in angemessenen Badezimmern.“ Weder die bisherigen baulichen noch die technischen Standards reichen hierfür aus. Eine große Herausforderung für eine pflegegerechte Anpassung stellen zum Beispiel die gemäß Bad-Grundlagenstudie der VDS rund 9 Mio. Kleinstbäder unterhalb einer Sechs-Quadratmeter-Fläche dar. Also sind (neue) bauliche Lösungen erforderlich, die es Angehörigen und ambulanten Pflegediensten erleichtern, Menschen zu Hause im Bad zu versorgen. Genau an dieser Stelle zeigt sich die Kernkompetenz der 24.000 SHK-Innungsbetriebe, die im Jahr 2018 rund 520.000 Bäder – besonders im privaten Wohnumfeld – saniert haben. 40 % der Bäder wurden mit dem Pflegezuschuss für die Wohnungsanpassung umgebaut.

AAL-Technologien können auch im Badbereich helfen

Älteren Menschen ein gesundes und sicheres Wohnen auch im Badbereich erleichtern können in jedem Fall Ambient Assisted Living (AAL)-Technologien. In den vergangenen Jahren wurde in Deutschland und Europa viel in ihre Entwicklung und Erprobung investiert. Die meisten Innovationen sind jedoch (noch) nicht auf dem Markt verfügbar, weil u. a. die Förderung des deutschen Gesundheitssystems fehlt. Dabei könnten durch den Einsatz von AAL-Technik die Pflege zu Hause erleichtert und die Unterbringung in Pflegeheimen verzögert oder womöglich ganz vermieden werden.

2015 betrug der Gesamtumsatz aller AAL-Produkte in Deutschland lediglich 15,5 Mio. Euro. Insgesamt werden die Wachstumsraten für die nächsten Jahre zwischen 80 % in 2018 und 43 % in 2021 geschätzt. Die Prognosen lassen aber einen exponentiell steigenden Markt erwarten mit einem Umsatz von 365,4 Mio. Euro bis 2021. Der weltweite Markt für Ambient Assisted Living soll voraussichtlich Ende 2027 13 Mrd. USD erreichen. Anwesenheits- und Temperatursensoren, medizinische Assistenz- sowie Kommunikationssysteme zählen zu den wichtigsten Wachstumssektoren.


Nachhaltigkeit und Recherchequellen

Das Grundsatzpapier Demografischer Wandel: Altersgerechte Wohnungen – Barrierefreie bzw. -reduzierte Bäder – Pflegegerechte Bäder liegt in kleiner Auflage gedruckt vor. Außerdem steht es auf dieser Seite als pdf-Datei zum Download im Bereich Die VDS zur Verfügung. Ein jährliches Update der digitalen Fassung ist geplant. Stand der vorliegenden Ausgabe sowie der dort zusätzlich enthaltenen Recherchequellen sowie entsprechender Links ist Juli 2020 bzw. Januar 2020. Nachdruck nur mit Genehmigung der Herausgeber bzw. unter Quellenangabe VDS/ZVSHK.

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